Dass Liebe und Glück messbar sind, zeigt sich häufig in Beziehungspfunden die man sich zu Beginn einer gemütlichen Partnerschaft gerne zulege

Endlich: Liebe und Glück messbar!

Liebe und Glück messbar – Lange wurde gerätselt, wie man Liebe und Glück messen kann. Zeit, Geld, Selbstbestimmung wurden dabei hoch gehandelt. Aber nun steht es fest: die Maßeinheit lautet Kilogramm. Doch was, wenn man dieses Glück nicht länger an den Hüften, dafür fester im Herzen tragen möchte? – Über Beziehungspfunde und das Abspecken in einer Partnerschaft.

Zum ersten Jahrestag wollte ich meinen Liebsten überraschen und das Outfit anziehen, das ich bei unserem ersten Date getragen hatte. Die Musik war voll aufgedreht, ich tanzte im Bad, schminkte mich sorgfältig, die Haare lagen perfekt, die Augen strahlten und ich war voller Vorfreude auf einen schönen Abend. Ich hätte vor Liebe und Glück platzen können, zumal unsere Hochzeit in greifbare Nähe rückte. Tanzend in meinem Kleiderzimmer angekommen, griff ich zu der hellen Jeans, stieg mit einem Bein ein und… scheiterte. Etwa auf Kniehöhe. Da half kein Ziehen, Zerren oder auf den Boden legen. Es ging nicht weiter. Ok, dass ich in letzter Zeit etwas zugelegt hatte, hatte ich natürlich gemerkt. Aber so?!

Ich befreite mein Bein, lief zurück ins Bad und stellte mich auf die Waage. Ich schaute nach unten, blinzelte, schaute noch einmal. Mein Gott! Vor Liebe und Glück platzen können, erhielt schlagartig eine neue Bedeutung. Die Euphorie wich aus mir, wie die Luft aus einem Ballon. Verdammt, wie hatte das denn passieren können? Zwölf Kilo in einem Jahr glücklicher Beziehung zeugten wahrlich von viel Wohlgefühl und großer Liebe. Ein Kilo pures Glück pro Monat. Für jeden sichtbar, direkt am Körper.

Liebe und Glück messbar – und sichtbar

Dass Liebe durch den Magen geht, hatte ich wohl etwas zu wörtlich genommen. Vielmehr wir beide. Mir war in den Wochen zuvor schon aufgefallen, dass die Pullover meines Lieblings, scheinbar wöchentlich kürzer wurden. Ich hatte ihn sogar geneckt und am plüschigen Bauch gekitzelt, wenn er hervor lugte. Tja. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Hackbällchen werfen. Aber im Ernst. Als ich den besten Ehemann von allen seinerzeit kennen lernte, fühlte ich mich großartig in meiner Haut. Ich trieb Sport, ich war schlank, war im Reinen mit mir. Wie hatten mir volle zwölf Kilo Gemütlichkeitsspeck entgehen können? So blind kann man doch nicht sein. Ach, was! Richtig lautete die Frage natürlich: Wie hatten sie ihm entgehen können?

„Sag mal, hast Du nichts gespürt? Du musst doch merken, dass Dein Arm nur noch halb um mich herum reicht?! Du hättest was sagen müssen“, meckerte ich den Ursprung des gewichtigen Problems beim Abendessen an. Es folgte die Antwort, die eine liebende Frau zu gleichen Teilen beruhigt und in Rage bringt: „Aber ich liebe Dich doch so wie Du bist!“ Aha. Er hat es also gemerkt und mich in den offenen Kühlschrank laufen lassen! Männer!

Und überhaupt: Natürlich ist er schuld daran, dass es seit geraumer Zeit so verflucht gemütlich ist, sich mit einer Pizzaschachtel und einer Tafel Schokolade vor dem Fernseher einzukuscheln. Oder drei Mal die Woche Essen zu gehen und sich ein Dreigänge-Menü mit einer Flasche Rotwein reinzudrücken. Oder sonntags Brötchen, Croissants, Eier, einen Eimer Milchkaffee und Prosecco zu verputzen – und das war nur das Frühstück. Die Wurzel des Übels war also schnell entdeckt: Die Lust an der Zeit zu zweit. In Gesellschaft schmeckt es eben besser. Aber so viel? Das kann nicht sein! Da muss es noch andere Gründe geben.

Dass Liebe und Glück messbar sind, zeigt sich häufig in Beziehungspfunden die man sich zu Beginn einer gemütlichen Partnerschaft gerne zulege
Wenn Liebe und Glück messbar werden, hat man sich vermutlich ein paar gut sichtbare Beziehungspfunde zugelegt. Glücksspeck sozusagen.

Als wir kurz darauf zu einer Party wollten, wagte ich den Versuch, mein heiß geliebtes bronzefarbenes Paillettenkleid anzuziehen. Großer Fehler! Aus dem Kleiderzimmer trat: eine Discokugel. Das war der Moment, in dem klar war: Hier und jetzt muss was passieren! Schnell! Was sollte ich also tun? Der Liebe abschwören, um wieder in Form zu kommen? Es gibt ja Menschen, die nehmen ab, wenn sie Kummer haben. Sind sie deswegen Glückspilze? Wohl kaum. Aber es hätte eh nichts gebracht. Ich gehöre nämlich zu der Gattung, die in allen Lebenslagen zunehmen kann.

Gottes Geleit habe ich vor allen Dingen in Sachen Appetit bekommen, der ist nämlich sehr gesegnet. Mir schmeckt es in allen Situationen: Glücklich? Hunger. Traurig? Hunger. Übermütig? Hunger. Stress? Hunger. Urlaub? Großer Hunger. Sollte ich jemals den Appetit verlieren, ist die Sache sehr, sehr ernst. Nur von Luft und Liebe zu leben, und so auf die Glückspolster zu verzichten, hätte also sowieso nicht geklappt. Ich brauchte schon noch ein paar Linguine dazu. Meinen Liebsten zusammen mit den zwölf Kilo zurückzugeben, quasi umzutauschen wie einen Mantel, der bei genauerer Betrachtung doch nicht dem eigenen Stil entspricht, war aber natürlich keine Option.

Nun hatte ich den Mann fürs Leben gefunden, wie man sehr gut sehen konnte, aber glücklich war ich mit der Gesamtsituation doch nicht. Mehr als einmal musste er hören: „Ich bin unzufrieden.“ So ganz scheint die Gleichung mit dem Glück in Kilogramm also doch nicht aufzugehen. Alles klemmte, kniff, zwickte, schnürte den Atem ab oder ging gar nicht erst zu. Gut, ich hätte natürlich einfach meinen gesamten Kleiderschrank spenden und alles ein, zwei Nummern größer kaufen können. Darüber hätte sich nicht zuletzt der Handel gefreut. Aber das war auch nicht die Lösung.

Die Sache war nämlich die: Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut. Es war das Körpergefühl, das nicht stimmte. Ich wusste einfach wie es sich anfasste, mein Ideal- und Wohlfühlgewicht zu haben. Ganz ehrlich: Ich vermisste es plötzlich, mich so zu fühlen. Bei aller Liebe zu meinem Mann: Seele und Körper gehören zusammen, um dauerhaft zu harmonieren und für echtes Glück zu sorgen. Keine Beziehung der Welt kann es ausgleichen, sich in sich selbst unwohl zu fühlen. Im Gegenteil kann es sie sogar belasten, wenn man mit seiner eigenen Unzufriedenheit durchs Leben geht. Also, ran an den Speck! Aber wie?

Könnte man einen Pakt mit dem Teufel eingehen, das ganze Leben lang Größe 36 zu tragen, dabei zu essen und zu trinken was und so viel man will, ohne Sport machen zu müssen, und ihm dafür zehn Jahre des Lebens abzugeben – würde man den Deal eingehen? Zehn Jahre weniger Lebenszeit, im Vergleich zu sorgenfreiem Schlemmen in der verbleibenden Zeit? Spannende Frage, oder? Dieses unmoralische Angebot mag erstmal absurd und natürlich hypothetisch klingen. Aber im Prinzip ist es nicht verrückter, als all die Wundermittel, Superfoods oder Acht-Wochen-Fitnessprogramme, die versprechen, aus einem übergewichtigen Buchhalter, einen Schwarzenegger zu machen – auf dem Sofa sitzend, ohne einen Tropfen Schweiß. Jeder, der einigermaßen bei Verstand ist, merkt doch, dass das absurd ist und dass da was nicht stimmen kann. Pakte mit dem Teufel haben nämlich immer einen Haken. Irgendwo hat man was im Kleingedruckten übersehen.

Apropos Handel. Haben Sie mal drauf geachtet? Etwa jeder dritte Fernsehspot bewirbt ein Nahrungsmittel. Schokolade, Burger, Lieferdienste, Getränke. – Deswegen hat man vor dem Fernseher vermutlich auch ständig Fresslust. – Und in etwa jedem dritten Werbeblock, gibt es einen besonderen Shake, ein revolutionäres Programm, eine App, die all das wieder ungeschehen macht. Quasi über Nacht. In einschlägigen Frauenmagazinen wird es noch deutlicher. Auf ein und demselben Titelblatt prangen neu entdeckte Mega-Diäten, die zehn Kilo weniger in zwei Tagen versprechen, und direkt daneben: Das Rezept für den Hackfleisch-Sahne-Auflauf in der XXL-Form. „Lang‘ ruhig ordentlich zu, gönn Dir was, wir haben hier ein Mittel, das Dich wieder in Form bringt“, versprechen sie an allen Ecken.

Das ist doch ein Selbstbefruchter-System! Ein gut gefütterter Kreislauf. Aber was ist eigentlich so verlockend an all diesen Zauber-Angeboten? Ich glaube, sie packen uns bei unserer inneren Couchpotatoe und wecken die Hoffnung, die Selbstverantwortung abgeben zu können. Es ist hart, ja fast gnadenlos, wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Sache mit den Glückskilos nur einen einzigen Ursprung hat: Mehr gegessen, als verbrannt. Das ist nämlich das ganze Geheimnis. Keine Zauberei, kein Wunder, keine genetische Anomalie. Ich war es selbst, die zugelangt hat, dafür kann ich nichts und niemandem die Schuld geben. Insgeheim wissen wir das doch auch, wenn wir vermeintliche Wundermittel zur Vernichtung der kulinarischen Ablagerungen ausprobieren.

Mal in einer bekannten Maßeinheit gesprochen: Lächerliche 200 Kilokalorien zu viel pro Tag, reichen schon für ein Kilo Gewichtszunahme pro Monat. Das erklärt Nadja Hermann in ihrem Buch „Fettlogik überwinden“* übrigens absolut eindrücklich und nachvollziehbar – Pflichtlektüre! 200 Kilokalorien! Ein Glas Wein, zwei Gläser Prosecco, ein halbes Brötchen mit zwei Esslöffeln Frischkäse, ein großer Cappuccino – ohne Kakao und Keks, nicht mal ganz eine Viertel Pizza. Wie oft habe ich im ersten Jahr unserer Beziehung wohl Nachschlag genommen? An wie vielen Tagen in der Woche?

Da habe ich keine Fragen mehr, wo meine zusätzliche erotische Nutzfläche herkam. Und auch nicht mehr, wie das so schnell gehen konnte. Wenn so eine Erkenntnis erst einmal die nackten Tatsachen ans Tageslicht befördert hat, gibt es für mich kein Zurück mehr. Ab diesem Punkt heißt es handeln, und zwar konsequent, auch alleine. Alles andere wäre wirklich verrückt. Die ganze Geschichte funktioniert nämlich auch rückwärts: Jeden Tag ein paar Kalorien mehr verbrennen, als man zu sich nimmt. Und irgendwie scheint die Sache mit den Glückskilos nun auch in die andere Richtung zu funktionieren: Je weniger es werden, desto glücklicher werde ich.

Zum ersten Hochzeitstag werde ich ihn mit einem Kleid überraschen: Neues Kleid, alte Größe. Happy wife, happy life! Während ich auf dem Ergometer sitze, strample und schwitze, liegt der beste Mann von allen übrigens auf dem Sofa und haut sich im Wechsel Nudeln, Schokoeis und Pudding rein. „Stört mich nicht, wenn Du nebenbei Sport machst“, sagt er. Und mich stört es nicht, wenn er nebenbei isst. Denn manchmal muss man aus Liebe hart sein. Aus Liebe zu sich selbst.


In dem Buch Liebesmüh hoch zwei der Kasseler Autorin Svea J. Held sind einige ihrer Kolumnen über die gewisse Prise Alltagsromantik im Leben als Paar gesammelt.

Diese Kolumne ist im Buch „Liebesmüh hoch zwei“ erschienen, dem zweiten Band der dreiteiligen Liebesmüh-Reihe: Gesammelte Essays, Artikel und Kolumnen über die Mühen, den Alltag mit Liebe zu überstehen – und die Liebe im Alltag nicht zu verlieren.

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