Ein Hausname diente einst der Orientierung und Zuordnung. Heute geht es um Immobilien-Branding und eine persönliche Note – ein kleiner Leitfaden für den richtigen Hausnamen
Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort. So finden wir heute unser Reiseziel und die Post den Weg zu uns. Es ist mehr ein registrieren, als ein Hinweis auf den Charakter oder Besonderheiten des Gebäudes. Aber das war nicht immer so. „Hausnummern wurden in Frankfurt erst im Jahre 1761 eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt besaß jedes Haus einen individuellen Namen. In der Judengasse hatten die Häuser Tiernamen wie Schwarzer Adler, Pflanzennamen wie Weiße Rose, Sachnamen wie Goldenes Faß oder Namen wie Paradies, Schwarzer Hermann, Halbmond etc.
Diese Hausnamen, die vom städtischen Rechneiamt vergeben worden waren, wurden auch bildlich, als Hauszeichen, dargestellt. Die Abbildungen befanden sich auf Schildern, die früher vor jedem Haus der Gasse aufgehängt waren. Sie wurden auch auf den Grabsteinen der jeweiligen Hausbewohner eingemeißelt, wo bis heute die meisten überliefert sind.“ (Jüdisches Museum Frankfurt) Die Verbindung von Haus zu Familie und Bewohner kann kaum deutlicher werden, als dass der Hausname den Weg bis auf den Grabstein fand.
Wäre es nicht außerordentlich klangvoll, wenn man statt Ich wohne in der Hauptstraße 8, sagen könnte Ich stamme vom Sonnenhaus? Oder vom Rose Cottage, der Seaview Lodge oder Oak Garden. Es muss ja nicht gleich Downton Abbey oder Rosings Park sein. Die Briten haben übrigens eine lange Tradition, ihren privaten Immobilien einen individuellen Namen zu geben. Namen, die gerne auch Wünsche, Vorlieben und Sehnsüchte ihrer Besitzer widerspiegeln. Aber natürlich auch etwas über eine besondere Charakteristik oder Lage verraten.
Das Flatiron oder Lipstick Building in New York sind berühmte Bauwerke mit einem Häusernamen, genauso wie das Tanzende Haus in Prag. Aber auch eher schlichte Namen wie Villa Marie, Haus Erika oder Mühlenhof sind Bezeichnungen, die wir an Fassaden erblicken können. Vor allem in Ferienregionen ist die Bezeichnung von Häusern üblich. Ein Hausname kann Generationen überdauern, auch wenn die ursprüngliche Familie oder das dort einst ausgeübte Gewerk längst vergangen sind.
Er wird einfach weiter gegeben und ist fest im Sprachgebrauch verankert. Der Hausname geht auf seine Bewohner über und umgekehrt. Vor allem wenn sie zentrale Punkte von elementarer Wichtigkeit waren, wie etwa Höfe und Gutshäuser in einem Dorf. Und sind es nicht genau die alten Häuser, die unsere Fantasie anregen? Wenn Wände sprechen könnten, welche Geheimnisse über ihre früheren Bewohner würden sie preisgeben?
Was sind Häuser ohne ihre Menschen? Was sind Menschen ohne ihre Häuser? Es geht um so viel mehr als Stein auf Stein, es geht um Identität. Pipi Langstrumpf ist ohne Villa Kunterbunt nicht denkbar, die Queen nicht ohne den Buckingham Palace. Hogwarts wäre nicht Hogwarts ohne Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin. „Die Häuser sind gleichsam Eure Familie“, bringt es so treffend auf den Punkt.
Auch Adelsgeschlechter erhielten ihre Namen seit frühesten Zeiten von ihren Stammsitzen, nach denen die gesamte Familie benannt wurde. Das Haus Hohenzollern von der Burg Hohenzollern oder das Haus Habsburg eben von der Habsburg. Gleichzeitig stand das Haus für einen entsprechenden Status oder Ruf, der bis in die Dienstbotenetage galt. Auch heute kennt man noch Sätze wie „Was, das ist eine Reinefeld?! Na dann ist ja alles klar!“ – Sippenhaft lässt grüßen. Die Zugehörigkeit zu einem Haus, konnte und kann im Umkehrschluss bei entsprechendem Renommee aber auch Türen öffnen: „Oooohh, Aaah, vom Lindenhof! Dann treten Sie mal ein.“
Ein eigener Hausname als persönliche Note
Auch die Immobilienbranche hat die Wirkung eines aussagekräftigen und bestenfalls nobel anmutenden Hausnamen in den letzten Jahren für sich entdeckt. So werden neue Wohnblöcke in den teuersten Gegenden The Monaco, La Provence oder Joli Coeur benannt, um eine Vorschau auf das dortige Lebensgefühl und eben mondäne Image der Anschrift zu geben. Hinter den kreierten Namen stecken gerne Agenturen, die einen bestmöglichen, sprich teuerstmöglichen Verkauf, anstreben.
Aber auch privaten Immobilien wird inzwischen gerne ein Name gegeben, um das eigene Haus mit einer ganz persönlichen Note zu versehen. Warum auch nicht, schließlich gestaltet und prägt man dieses Gemäuer ein Leben lang – und eben umgekehrt. Vielleicht ist es sogar über Generationen der Stammsitz der Familie. Einem so wichtigen Familienmitglied einen Namen zu geben, scheint doch mehr als angemessen zu sein. Immerhin taufen manche Menschen sogar ihre Autos, weil sie langjährige Wegbegleiter sind. Aber wie findet man den richtigen Namen für sein Anwesen?
Der Untergang des Hauses Usher, Das Haus bei den Blutbuchen, Das Haus an der Düne. Für Fans von Edgar Allen Poe, Arthur Conan Doyle und Agatha Christie ist ein Hausname so vertraut wie die eigene Lieblingsjeans. Häufig sind markante Gebäude mit ihren Bewohnern Schauplatz des Verbrechens. So gibt die Yew-Tree Lodge in einem jener Krimiklassiker sogar einen versteckten Hinweis auf das verwendete Gift: die hochtoxische Eibe, die ein markantes Element der Gartengestaltung ist.
Genau das ist ein guter Ansatz, denn wenn man nicht einfach den sprechenden Hut befragen kann, der einen seinem Haus zuteilt, kann man sich zum Finden des Hausnamens an verschiedenen charakteristischen Merkmalen orientieren: Die Lage oder ein besonderer Ort, Pflanzen, Tiere, Ruf-, Familien- oder Spitznamen, eine Funktion, Amt oder ein Beruf, vielleicht der Straßenname. Es lohnt sich also, das eigene Haus und die eigene Familie noch einmal ganz genau anzuschauen. Was sticht heraus, was ist besonders? Gibt es ein prägendes Stück Geschichte, eine frühere Funktion?
Also was ist für unser Haus charakteristisch? Es steht sehr sonnig, ist in einem fröhlichen Gelb gestrichen und hat eine imposante Giebelwand (was der Hanglage geschuldet ist). Der großzügige Rosengarten ist sicher sehr prägend, ebenso der gesamte romantische Garten. Wegen der Anschrift sind Hähne in der Nachbarschaft obligatorisch, wobei wir den einzigen Wetterhahn in luftigen Höhen platziert haben. Der Nachname gibt nichts her, aber unsere Sternzeichen sind Jungfrau und Schütze (um mal eine ganz andere Note einzubringen).
Wagen wir mal einen Versuch. Heiterer Hahnenschütze. Ich mag englische Traditionen, aber mit der Jagd und Knarren hab ich es nicht so. Zur rosigen Jungfrau. Hat etwas von einem zwielichtigen Etablissement. Rosenreslis Reich. Gefährlich nah am Reichsbürgertum – die erklären ihre Grundstücke ja gleich zu eigenen Ländern. Hahnenhöhe oder Roosters Hill. In direkter Nachbarschaft zum Bergpark Wilhelmshöhe recht ambitioniert, aber wärmer. Das Rosenhaus. Heiß! Die Zweitnamen unserer Töchter lauten Rosa und Flora. Kann dies Zufall sein?
Diese Kolumne ist im Buch „Liebesmüh mal drei“ erschienen, dem dritten Band der dreiteiligen Liebesmüh-Reihe: Gesammelte Essays, Artikel und Kolumnen über die Mühen, den Alltag mit Liebe zu überstehen – und die Liebe im Alltag nicht zu verlieren.
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