Die Ehehygiene ist in alter Fachliteratur durchaus amüsant beschrieben.

Ehehygiene: Gefühlsregungen, von so unwiderstehlicher und verlockender Stärke

Ehehygiene. Alle Welt macht sich Sorgen, vielleicht zu wenig Sex zu haben. Doch kaum einer wirft die möglichen Gefahren des körperlichen Überflusses und seiner Auswirkungen auf die Liebe, in die Waagschale. – Eine Betrachtung von der anderen Seite.

Beschäftigt man sich mit der Liebe, oder genauer gesagt, mit den Entwicklungen langfristig angelegter Liebesbeziehungen, kommt man nicht umhin, auch die körperlichen Aspekte zu betrachten. Die physische Liebe, als Ausdruck geistiger Verbundenheit und emotionaler Nähe. Sich eben zueinander hingezogen fühlen und auf jeder möglichen Ebene zu vereinigen. Eine schöne Erfindung der Natur. Wie kann es dann sein, dass diese Lust bekanntermaßen im Laufe der Zeit abnimmt, je routinierter man miteinander ist? Müsste sie nicht vielmehr mit steigender Vertrautheit zunehmen, um dieser wachsenden Nähe eine greifbare Form zu geben? Von diesem Effekt hört man allerdings eher selten.

Die Ehehygiene in einschlägiger Fachliteratur

Zum Glück habe ich in einschlägiger Fachliteratur, eine einleuchtende Erklärung gefunden, die endlich des Rätsels Lösung bietet. Und nebenbei bemerkt, rein gar nichts mit den vermeintlichen Tücken der alltäglichen Langeweile zu tun hat. Überzeugen Sie sich selbst: „Die meisten Mädchen gehen in die Ehe, ohne eine Ahnung von der Bedeutung des Geschlechtslebens für die Gestaltung der Ehe zu haben; sie wissen ungefähr, was ihnen körperlich bevorsteht, nicht aber, daß die Art des Geschlechtsverkehrs von größter Bedeutung für das Eheglück werden kann. Sie sind der geschlechtlichen Willkür eines Mannes überlassen, ohne zu wissen, ob diese mit den Geboten der Hygiene und der Ethik übereinstimmt. Nichts untergräbt aber den Frieden einer Ehe und die Achtung der Gatten vor einander sicherer als ein Übermaß des Geschlechtsverkehrs, denn es führt regelmäßig erst zu körperlicher Übersättigung und dann zum Gefühl des Ekels und der Abneigung. Wer hat nicht schon die Beobachtung gemacht, daß Ehen, die aus leidenschaftlicher Liebe geschlossen wurden, nach verhältnismäßig kurzer Zeit tief unglücklich ausgehen und häufig gar zur raschen Trennung führen. In solchen Fällen liegt der Beweggrund sehr häufig in Vorgängen der angedeuteten Art.“

Ehehygiene, ja – aber bitte in Maßen!

Ich bin wirklich froh über diese Zeilen. Nein, vielmehr dankbar. Strebt man eine innige partnerschaftliche Verbindung auf Lebenszeit an, sollte man die gemeinschaftliche Nutzung der Geschlechtsorgane zum beidseitigen Vergnügen also stark einschränken. Darauf wäre ich nie gekommen! – Im Hinblick auf die notwendige sexuelle Reglementierung, sehe man mir diese Doppeldeutigkeit bitte nach. – Fast wäre ich dem allgemeinen Irrglauben verfallen, mit allen möglichen kneifenden Schlüpfern, Cremes und Geräten, die erlahmende Libido in Gang halten zu müssen. Kein Wunder, bei unserer übersexualisierten Medienwelt. Das wäre jedoch die völlig falsche Richtung gewesen! Aber Achtung! Es kann selbst bei der quantitativ begrenzten körperlichen Vereinigung auch noch zu „Gefühlsregungen“ für beide Beteiligten kommen. „Von so unwiderstehlicher und verlockender Stärke für den Mann, daß er alles daran setzt, sich den Geschlechtsgenuß so oft als möglich zu verschaffen.“

Davon hat man in der Tat schon öfter gehört. Das sollte die gewissenhafte Gattin allerdings tunlichst zu unterbinden wissen, um eben jener körperlichen Übersättigung und dem damit unmittelbar drohenden Ende der Ehe vorzubeugen. Ich nehme an, dass dieser Strategie, die Erfindung von Bärchen-Pyjamas für erwachsene Frauen zu Grunde liegt. Subtil, aber wirksam.

Die Ehehygiene ist in alter Fachliteratur durchaus amüsant beschrieben.

Nachdem wir bis hier hin über einen wichtigen Teil zum Gelingen glücklicher Lebensbünde aufgeklärt wurden, treibt uns natürlich nur noch eine Frage um: Wie viel ist zu viel? Wann hört der Spaß auf, wann setzt nun das bedrohliche Gefühl des ekelerregenden Überflusses ein? Auch hier werden wir nicht allein im Dunkeln gelassen: „Keine Frau darf sich in der Ehe willenlos der Sinnlichkeit des Mannes hingeben, sondern muß ihrer eigenen Würde und ihrer Gesundheit eingedenk bleiben. Die ‚ehelichen Pflichten‘ sind kein Zwang zur Selbstaufopferung, sondern dienen dem sittlichen Zweck der Fortpflanzung. Keinenfalls dürfen sie den Vorwand für geschlechtliche Unmäßigkeit abgeben. Daraus ergibt sich die Frage, wie oft der Geschlechtsgenuß erlaubt ist, ohne Schaden zu stiften. Durchschnittlich soll der Akt nicht öfter als einmal in der Woche ausgeübt werden, wobei sich Mann und Frau vortrefflich befinden. Die Frau bleibt dem Manne viel länger begehrenswert, und der Mann gerät nicht in die Gefahr, vorzeitig die Zeugungskraft zu verlieren.“

Ich gebe es zu. Ich habe es schlicht und ergreifend nicht gewusst, dass die besten Stücke einer Abnutzung unterliegen. Beschämendes Unwissen. Selbstverständlich tut es mir rückblickend leid, Schäden an der Manneskraft riskiert und dabei noch unangebrachte Freude empfunden zu haben.

Rat zur Ehehygiene anno 1910 und heute

Nun möchte ich aber selbst etwas Licht ins Dunkel bringen: Die Zitate stammen aus dem berühmten Werk und medizinischem Ratgeber Die Ärztin im Hause von Dr. Jenny Springer. Einer der ersten vier niedergelassenen Ärztinnen in Deutschland überhaupt! Mit Übersetzungen in acht Sprachen und 24 Auflagen, war ihr Buch für die Hausfrau ein großer Erfolg. Erstmals ist es 1910 erschienen und war bis in die Dreißiger Jahre, fester Bestandteil jedes Haushalts. Vielleicht wurden Ehen damals deswegen so viel seltener geschieden? Die Leute wussten einfach was zu tun ist – und wie oft. Wir scheinen hingegen in sämtlichen Lebensbereichen das Maß des Guten verloren zu haben. Beachtlich finde ich jedoch, dass der Rat zur Quantität, auch in brandaktuellen Langzeitstudien aus den Jahren 2014 und 2017, bekräftigt wird: Einmal Ehehygiene pro Woche, sei für Menschen in einer Beziehung optimal für ein glückliches Leben. Mehr Sex mache nicht glücklicher, weniger hingegen unglücklicher. Klare Ansage. Ob die Sache mit der drohenden Abnutzung jedoch ebenfalls bestätigt werden konnte, darüber habe ich nichts finden können.

Also, Männer. Wenn die geliebte Gattin das nächste Mal eine Migräne andeutet oder mit einer abscheulichen Schlafbekleidung zu Bett geht, denkt unbedingt daran, dass dies zu Eurem Besten geschieht. Dies ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Herzdame eine lange währende Partnerschaft in dauerhaftem Glück anstrebt, die sie durch Verknappung ihrerselbst gewährleisten möchte. Und denkt an Eure Gesundheit!


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Ehehygiene

2 comments on “Ehehygiene: Gefühlsregungen, von so unwiderstehlicher und verlockender StärkeAdd yours →

  1. Was ist das für ein Dreck? Glaubt die Autorin wirklich selbst daran?! Eine Schande für Frauen wie Beate Uhse, die tatsächlich Aufklärung betrieben haben. Und das 60 Jahre bevor dieser Schund fabriziert wurde.
    Auf dass sich eure gegenseitigen Geschlechtsorgane hoffentlich wirklich abnutzen.

    1. Lieber Freddy, es ist schade, dass Ihnen offenbar die durchaus wichtige Information am Ende des Textes durch die Lappen gegangen ist, dass es sich um Zitate aus einem Buch aus Zeiten der Jahrhundertwende handelt. Also deutlich vor Aufklärerinnen wie Beate Uhse. 😉 Allerdings hat Frau Dr. Jenny Springer, die das Buch verfasst hat, im engen Korsett ihres Zeitalters ebenfalls nach Kräften versucht für Aufklärung zu sorgen. Dafür verdient sie den höchsten Respekt. Also vielleicht etwas vorsichtig mit Verwünschungen sein?

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