Eine uralte Tradition mit starker Symbolkraft – der Hausbaum liegt wieder voll im Trend der Gartengestaltung. Nur welcher soll es heutzutage sein?
Knorrig und ausladend, alt und weise trotzt er Wind und Wetter. Er lässt die Stürme des Lebens gleichmütig an sich vorbeiziehen wie die Jahreszeiten, die den Takt des Lebens unerschütterlich vorgeben. Die Bewohner seines Hauses, erfreut er im Frühling mit seinen Blüten, spendet ihnen im Sommer Schatten und versorgt sie im Herbst mit Früchten. Im Winter mahnt er zu Ruhe und Erholung, aus der man Kraft für den nächsten Kreislauf zieht.
Das ist er, der Hausbaum. Ein einzelner Baum, in direkter Verbindung zum Wohnhaus. Er ist der Schutzpatron der Hausbewohner, ist ein Symbol des Lebens, vermittelt Schutz und Geborgenheit, versinnbildlicht Sicherheit und Bodenständigkeit. Wie viele alte Bauernregeln, Bräuche und Weisheiten aus Urgroßmutters Zeiten, ist auch der Hausbaum eine überlieferte Tradition für unsere Gartenkultur, die auch in modernen Hausgärten noch Bestand hat. Traditionell wird er bei Hausbau oder zum Einzug gepflanzt. Ein wunderschöner Brauch mit einer so positiven Strahlkraft, wie ich finde.
Für mich stand fest, dass wir einen Hausbaum brauchen! Einen Begleiter der mit uns gemeinsam in unser neues zu Hause einzieht, wo wir gemeinsam Wurzeln schlagen können. Apropos: Offenbar hatte es mal einen vor dem Haus gegeben, der allerdings schon vor vielen Jahren gefällt werden musste, da die Wurzeln große Schäden am Abflussrohr angerichtet hatten. Sehr schade, aber einerseits gut zu wissen (daran hätte ich vermutlich nicht gedacht) und andererseits konnte ich unseren neuen grünen Freund selbst auswählen.
Was für eine Aufgabe! So unendlich viele Möglichkeiten und jede lässt das Haus anders wirken. Streng und formal, leicht und natürlich, imposant und herrschaftlich und und und. Nur eins ist quasi gesetzt: Laubabwerfend muss er unbedingt sein, damit wir den Wechsel der Jahreszeiten mit ihm erleben können.
Die Wahl des Hausbaums
Aber es ist nicht nur die optische Wirkung. Die Wahl des Hausbaums war früher ganz und gar nicht zufällig, der Aberglaube spielte eine große Rollte. Denn jede Baumart steht für bestimmte Eigenschaften. Die gute alte Eiche für Standfestigkeit, Stärke und Wahrheit. Die Linde für Güte und Gastfreundschaft. Die Kirsche für Glück, die Walnuss für Fruchtbarkeit. Die Birne war ein beliebter Hausbaum, da man seine Früchte essen und für den Winter einkochen konnte. Auch zur Geburt einer Tochter pflanzte man einen Birnbaum, zur Geburt eines Sohnes einen Apfelbaum. Dadurch sollte der Wunsch ausgedrückt werden, dass das Kind in einer gesunden und natürlichen Umgebung aufwachsen darf. Zudem las man am Gedeihen des Baumes, die Entwicklung und den bevorstehenden Lebensweg des Kindes ab.
Tief in die Recherche eingetaucht, verspürte ich zwischenzeitlich einen gewissen Druck, was die Wahl unseres Hausbaumes anging – das Glück unserer Familie schien regelrecht davon abzuhängen. Was, wenn ich mich für ein Gehölz entscheiden würde, dass insgeheim für Pleiten, Pech und Pannen steht?! Nicht auszumalen. Aber ruhig Blut. Traditionen dürfen getrost mit der Zeit gehen, auch wenn ihr Kern erhalten bleibt. So fällt die Entscheidung heutzutage eher aus optischen und praktischen Beweggründen, die Geste zählt.
Ich kann mich nicht mehr an alle Sorten erinnern, die ich zwischenzeitlich in engerer Auswahl hatte, aber es waren viele, sehr viele. Der Tulpenbaum in seiner Urform hatte es mir beispielsweise sehr angetan. Rund sechszehn Jahre wartet man auf seine erste Blüte, was durchaus seinen Reiz hat. Da er aber ausgewachsen auf etwa vierzig Meter kommt, würde er unser Haus eines Tages um gut das Doppelte überragen. Es könnte für unsere Erben somit recht eng und schattig werden. Die Rohre nicht zu vergessen. Also eher nicht.
Ich schwankte immer wieder zwischen ganz traditionell und außergewöhnlich. Nur der Standort war klar: Mit einigem Abstand gegenüber der Haustür, wo er uns und unsere Gäste stets willkommen heißen und durch das Jahr begleiten würde. Irgendwann habe ich allerdings darüber nachgedacht, warum es der besondere Wuchs oder die Größe sein muss, die den Hausbaum prominent herausstechen lässt. Könnte es nicht auch die Jahreszeit sein, die ihn sich abheben und erstrahlen lässt? Ein großer Auftritt im Jahr und ansonsten bescheidene Zurückhaltung? Das wäre doch etwas ganz Besonderes. Dieser Gedanke lenkte die Suche plötzlich in eine ganz andere Richtung.
Wenn der hauseigene Schutzpatron seinen Menschen Kraft und Zuversicht vermitteln soll, sollte er dies tun, wenn sie es am meisten brauchen. Wäre doch gut, wenn es das pünktlich und zuverlässig könnte, oder? Für mich wäre das dann im Februar und März. Die langen Wintermonate in den Knochen, der Garten schon viel zu lange im Dornröschenschlaf. Die tiefe Sehnsucht nach wärmender Sonne, schwingenden Röcken, leuchtendem Grün und einem üppigen Blütenmeer, lässt mich um diese Zeit gerne mal schwer und ungeduldig werden. Wie freue ich mich über jede grüne Spitze, über jeden Farbtupfer!
Das war der Schlüssel. So wurde unser Hausbaum ein Hausstrauch. Genauer gesagt wurde es eine sie. Am Scheidepunkt von meteorologischem Spätwinter und Vorfrühling, wenn alles andere nackig und kahl ist, leuchtet sie über und über mit zartgelben Glöckchen. Leise klingen und flüstern sie uns zu: „Ein neuer Anfang steht vor der Tür. Der Frühling schickt mich, er ist bald da.“ Eine wertvolle Frühblüherin für die Seele aber auch für Bienen und Insekten. Eine dezente Schönheit, die mit ihrem breitbuschigen leicht überhängenden Wuchs eine natürliche Leichtigkeit ausstrahlt. Genau dann, wenn ich sie am meisten brauche. Eine wahre Schutzpatronin, waschechter Wintermuffel.
Die Glockenhasel. Schlüsselblumenstrauch oder auch Blumenhasel, aus der Gattung der Zaubernüsse. Alle Bezeichnungen sind bezaubernd und verschaffen mir sofort gute Laune. Sie wächst langsam und bedächtig, aber wir haben alle Zeit der Welt. Schließlich wollen wir alle hier zusammen alt werden. Und die Symbolik? Ganz einfach. Ab sofort steht die Glockenhasel als Hausbaum für Freude und Zuversicht – einer muss ja anfangen, damit es zur Tradition werden kann. Ich habe mich übrigens abgesichert: in moderner Gartengestaltung sind auch Sträucher und Gehölze für diese prominente Stellung erlaubt. Man will ja nichts riskieren. Wegen Pleiten, Pech und Pannen und so. Ein wenig Aberglaube darf auch in modernen Zeiten sein.
Diese Kolumne ist im Buch „Liebesmüh mal drei“ erschienen, dem dritten Band der dreiteiligen Liebesmüh-Reihe: Gesammelte Essays, Artikel und Kolumnen über die Mühen, den Alltag mit Liebe zu überstehen – und die Liebe im Alltag nicht zu verlieren.
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