Lauschige Plätze kann man mit gemütlichen Möbeln und passender Deko schnell schaffen.

Lauschige Plätze – ein Hoch auf die Gemütlichkeit

Warm, weich, behaglich. Lauschige Plätze in Haus und Garten machen es erst so richtig gemütlich. Aber was braucht es, um sich rundherum zufrieden und geborgen zu fühlen?

Gemütlichkeit. 2019 von einer internationalen Truppe Sprachschüler zum schönsten deutschen Wort gekürt. Ins Englische übersetzt heißt es German Gemütlichkeit. Weil es so ureigen deutsch ist, dass man es gar nicht übersetzen kann. Wir sind eben Gemütlichkeitsweltmeister. Nur die Finnen und Dänen mögen es genauso lauschig wie wir, weshalb es derzeit wohl im Bereich Hygge zu einer Art Kulturaustausch und tiefer Völkerverständigung kommt. Ein Lebensgefühl, ein Bedürfnis, das uns eint.

Vermutlich sind es diese drei Nationen, die weltweit für den größten Absatz an Kerzen und Teelichtern sorgen. Das sollte man mal recherchieren. Denn ohne flackernden Kerzenschein, geht in Sachen heimelig ja mal gar nix. Was Deutsche warmes Licht nennen, bezeichnet man in Syrien übrigens als ungenügende Beleuchtung. Ts, diese Schummerlicht-Banausen.Aber es sind nicht nur die Teelichter, von denen man in der schwedischen Botschaft grundsätzlich einen Beutel mitnehmen muss. Es sind Deckchen, Decken, Kissen – davon reichlich – eine Renaissance formschöner und bequemer Polstermöbel, dicke Teppiche, allerlei Vasen, Rumstehchen und Schächtelchen.

Lauschige Plätze durch einen Heimtextilien Super Gau. Klingt doch eigentlich ziemlich stark nach Gelsenkirchener Barock, oder? Eine moderne Ära des Biedermeier mit einem neuerlichen Rückzug ins Private, in die eigenen vier Wände, hinter den eigenen Gartenzaun. Cocooning nennt man es dieser Tage. Sogar die Schrebergärten erfreuen sich wieder großer Beliebtheit, waren sie doch jahrelang der Inbegriff deutscher Spießigkeit. Bei genauerer Betrachtung ergibt dieser Trend durchaus Sinn: Je unüberschaubarer und vermeintlich unsicherer die Welt da draußen ist, desto sicherer möchte ich mich hinter meiner Haustür fühlen. Scheint es doch das einzige Stück Welt zu sein, das man kontrollieren und gestalten kann.

Denn was sind lauschige Plätze, wenn nicht das Streben nach Ruhe, Zufriedenheit, ankommen und einem wohligen Gefühl der Sättigung – am besten durch ein üppiges Stück Kuchen? Geborgen und behaglich in ausgewählter Gesellschaft oder auch alleine. Geschützt und friedlich, abgeschirmt von einer fremd gewordenen Welt, deren Komplexität man nicht mehr überblickt und in der man sich vielleicht ein Stückweit verloren fühlt.

Es gibt noch einen Begriff, der nicht übersetzbar ist: German Angst. Zwischen German Angst und German Gemütlichkeit scheint es sogar einen direkten Zusammenhang zu geben. Je ängstlicher wir vor der Welt sind, desto mehr lauschige Plätze für den Rückzug gestalten wir. Was war die flächendeckende Reaktion auf den Corona-Lockdown? „Jetzt machen wir es uns zu Hause so richtig schön und gemütlich“ – mit einem entsprechenden Run auf Bau- und Gartenmärkte. Cocooning deluxe für Profis.

Lauschige Plätze – Gemütlichkeit als Megatrend

Und mir wird klar, dass ich mittendrin bin, im Megatrend Gemütlichkeit. Als wir unser sanierungsbedürftiges 50er Jahre Haus im April 2018 übernahmen, war meine erste Amtshandlung noch am selben Tag, im hinteren Teil des Gartens eine Reihe wilder Bäume fällen zu lassen. Wenige Tage später, legte der Gartenbauer eben dort das große Rondell für den Kuppelpavillon auf der kleinen Anhöhe, sowie das lange Beet mit dem Plateau für das Gartenbett an. Jenen Teil der Gartengestaltung, den ich sogleich vor Augen hatte, als wir das Haus besichtigten.

Gleich zwei lauschige Plätze waren geschaffen, bevor im Haus auch nur ein Hammer geschwungen wurde. Und wo saßen alle Handwerker inklusive uns während der Pausen? Auf der kleinen Bierzeltgarnitur unter dem nagelneuen Pavillon. Ein kleines Stück Gemütlichkeit, so weit wie möglich vom tobenden Chaos im Haus entfernt. Es braucht also nicht mal eine weltweite Pandemie um sich ins Schöne zurückziehen zu wollen. Ein wenig Bauschutt reicht völlig aus und schon möchte man ein hübsches Deckchen drüber legen und ein Teelicht anzünden.

Zugegeben, war ganz intuitiv genau das mein Bestreben: Sogleich etwas Wundervolles zu schaffen, das uns während der außerordentlich anstrengenden Kernsanierung etwas Balsam auf die geschundene Häuslebauer-Seele geben würde. Um dort Kraft zu tanken, für den nächsten Gang in das Staub- und Dreck-Inferno, das einmal unser zu Hause werden sollte. Eine motivierende Vorschau auf das, wie alles einmal werden würde.

Und vielleicht ist es genau das, was hinter dem riesigen Haus- und Gartentrend steckt. Ganz intuitiv schaffen wir uns lauschige Plätze, ein zu Hause als Ort der Ruhe und zum Krafttanken, um dort draußen in der bewegten Welt bestehen zu können. Das scheint eine natürliche Reaktion zu sein, wenn sich die Welt in ihrer Veränderung geradezu überschlägt. Denn schon zur Biedermeier-Zeit, die sprichwörtliche Urgroßmutter der Gemütlichkeit, ist die gute Stube der Raum in dem gestickt, musiziert, geplaudert und geruht wird.

Die Zeitschrift Gartenlaube ist DAS Magazin, das man lesen muss – ähnlich wie die Landlust heute. Das traute Heim vermittelt ein Gefühl der Sicherheit, während draußen die Industrialisierung die Welt im großen Stil verändert. Fabriken, Eisenbahnen und Maschinen sind das, was für uns heute Internet, Digitalisierung und Globalisierung sind. Kein Wunder, dass bei so viel Virtualität in sämtlichen Lebensbereichen, DIY, häkeln, stricken, sticken und basteln so angesagt ist wie nie zuvor. Etwas mit eigenen Händen zu schaffen, gibt eben eine tiefe Befriedigung und Ruhe.

Was für die einen Stricknadel oder die Nähmaschine, ist für mich das Gärtnern. Bei eingehender Analyse meiner Gartengestaltung muss ich sogar feststellen, dass ich offenbar die ungekrönte Queen of German Gemütlichkeit bin und ganze zehn – ZEHN – lauschige Plätze angelegt habe: Den Senkgarten, die Hainbuchenlaube mit Bank, den Rosenpavillon mit Sitzgruppe, das Gartenbett, die Schaukelpergola, die Blaue Lagune mit Bänkchen, den Rattan Sessel unter dem Pfirsichbaum, den Schaukelstuhl und den großen Esstisch auf der Terrasse mit jüngst angelegter Weinlaube.

Ich schwöre, ich brauche die alle! Genau wie meine Schuhe. Eben für jeden Anlass die Richtigen. Oder eben für jede Tages- und Jahreszeit, jeden Sonnenstand oder gewünschten Blickwinkel das richtige Eckchen. Selbstredend gibt es für jede Sitzgelegenheit die passenden Kissen und Decken. Logo, wie könnte es anders sein.

Aber wie soll ich es sagen. Genau diese wohlplatzierten Rückzugsorte*, machen den Garten so…naja halt gemütlich. Er lädt ein zum Innehalten, zum Betrachten und zum Auftanken. Es scheint durch ihre pure Existenz zu funktionieren, diese Sache mit der Gemütlichkeit und all ihren positiven Begleiterscheinungen. Ich fühle mich in meinem Garten so sicher und geborgen, so geschützt und tief beseelt, wie an keinem anderen Ort.

Von ihm gestärkt und frohgemut, fast wagemutig, reiße ich die Gartentür auf, verlasse meine Insel und stürze mich tagtäglich in die Welt. Um mit dem Prickeln der Erleichterung das Gartentürchen hinter mir schließen zu können, wenn ich zurück bin. Hier ist mein Stück Welt in Ordnung, hier bin ich sicher. Ein warmes Wohlbehagen macht sich breit. Ich bin zu Hause.

Wobei mir zu meinem Glück schon reicht, dass ich auf jenen zahlreichen Bänken verweilen und sinnieren könnte. „Ein Garten entsteht nicht dadurch, dass man im Schatten sitzt“, stellte der britische Schriftsteller Joseph Rudyard Kipling so treffend fest. Und ehrlich gesagt, habe ich mich in den drei Jahren, in denen wir unser Haus nun unser eigen nennen, mehr an dem Erschaffen jener Kleinode erfreut, als am tatsächlichen Daraufsitzen. Zumal es auch meistens Folgen hat, wenn ich länger sitze und den Blick in Ruhe über den Garten schweifen lasse. Dabei kommen mir nämlich die nächsten Eingebungen, was ich noch anlegen, verändern und gestalten könnte. „Liebling, ich hab da eine Idee…“ – „Wie teuer wird es und muss ich was  machen?“

Ich sage immer scherzhaft, dass ich ohne meine Gartenarbeit den ganzen restlichen Wahnsinn aus Familie und Beruf nicht schaffen würde. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Wahrheit scheint darin zu stecken. „Du musst den Garten auch mal genießen“, höre ich regelmäßig, wenn ich wieder einmal Hummeln im Hintern habe. Aber das tue ich doch! Indem ich ihn hege und pflege, gestalte und verändere, ins Schwitzen komme und an meine Grenzen. Indem ich mit ihm zusammen wachse und er mich auf Trab hält.

Wenn ich durch die angenehme Erschöpfung, eine tiefe Ruhe verspüre. Wenn ich mit einer Tasse Kaffee in der Hand, tagtäglich durch die Gartenzimmer schlendere, hier was zupfe, da was schneide, dort eine Schönheit bewundere. Mir den Wind durch die Haare pusten lasse, ein Problem um das meine Gedanken kreisen für einen Moment vergessen kann und mir ein paar Blumen für ein kleines Sträußchen pflücke. Einen Biedermeier-Strauß der unser Haus verschönert und gemütlich macht. Und ja, auch wenn ich einen Berg Auflagen nach draußen schleppe und im lichten Halbschatten lese. Ich genieße ihn in vollen Zügen.

Lauschige Plätze – eine Einkaufsliste

Was braucht es, um sich rundherum zufrieden und geborgen zu fühlen? Gibt es ein Rezept, eine Bedienungsanleitung, eine Shoppingliste? Vielleicht lässt es sich so resümieren: Einen Bereich, den man nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten kann, und sei er noch so klein. Einen Ort, zu dem nur Menschen Zugang haben, die man dorthin eingeladen hat. Lauschige Plätze, an denen man geschützt und im Angesicht gefälliger Ästhetik Kraft tanken kann.

Oder anders formuliert: eine Bank, zwei Kissen, eine Decke, acht Teelichter, eine Tasse, einen Teller, ein Stück Kuchen und sechs Blumenkübel. Das alles auf zwei Quadratmetern angerichtet und schon hat mein sein Stück vom Glück. Ob man nun dort sitzt oder seelig vorbei schlendert. So einfach geht German Gemütlichkeit.

Lauschige Plätze im Halbschatten sind ein Stück vom Glück.

Diese Kolumne ist im Buch „Liebesmüh mal drei“ erschienen, dem dritten Band der dreiteiligen Liebesmüh-Reihe: Gesammelte Essays, Artikel und Kolumnen über die Mühen, den Alltag mit Liebe zu überstehen – und die Liebe im Alltag nicht zu verlieren.

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Kurzgeschichten über den Hausbau

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4 comments on “Lauschige Plätze – ein Hoch auf die GemütlichkeitAdd yours →

  1. Auch mir hilft das Gärtnern sehr dabei, vom beruflichen Stress abzuschalten. Meinen Garten betrachte ich als ein Projekt, welches nie endet und an dem ich kontinuierlich arbeiten kann. Aktuell plane ich, für mehr Behaglichkeit auf meiner Gartenterrasse zu sorgen. In einigen Zeitschriften konnte ich auch schon beeindruckende Beispiele für Gartenbeleuchtungen bestaunen.

    1. Liebe Lucy, das klingt wunderbar! Ich wünsche Dir ganz viel Freude beim Gärtnern und beim Umgestalten Deiner Terrasse. Das Thema Beleuchtung hat mich auch länger beschäftigt: nicht zu hell, nicht zu dunkel. 🙂 Alles Liebe, Svea

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