Romantische Gärten, wie beschreibt man sie am besten, wie fasst man den besonderen Zauber dieser luftig-leichten Idylle in Worte. Ein zarter Versuch:
Die Gartentür öffnet sich quietschend und ich trete langsam ein. Üppig ragen die Rosenblüten in den Durchgang und streifen meine Wange. Ein süßer Duft umfängt mich und es prickelt in meinem Nacken, als ich den schmalen Pfad vor mir sehe, der sich eng um die Hausecke windet. Behutsam einen Fuß vor den anderen setzend, erblicke ich eine blassgelbe Schönheit, die…
Ja, was? Wie mag es wohl weitergehen? Was erwartet mich hinter der Biegung, der dichten Hecke, der Mauer oder hinter der Figur? Die Abwechslung, die Biegungen und die versteckten Plätze, die es zu entdecken gilt, machen romantische Gärten so verwunschen und spannend. Nichts offenbart sich auf den ersten Blick, eine neue Blickrichtung zeigt zuvor Verborgenes. Das Blütenmeer in Pastelltönen und Grün hüllt den Besucher in eine ganz besondere Leichtigkeit und Ruhe, die nur natürlich gewachsene Gärten ausstrahlen können.
Romantische Gärten haben für mich die perfekte Mischung aus Eleganz, Träumerei, Überraschung und Natürlichkeit. Idyllisch, verspielt, üppig beblümt, lauschige Sitzecken und eine gewisse elegante Note, auch durch Kunst und Skulpturen. Eben verheißungsvoll und spannend, durch die Variation.
Das macht für mich die Faszination dieses Gartenstils aus. In wenigen Worten umrissen. Noch kürzer bringt es nur der beste Ehemann von allen auf den Punkt: „Hach, es ist hier wie im Urlaub! Herrlich!“ Nur was, wenn man ein klitzekleines Problem hat: Der Garten ist eine Schlammwüste. Verdreckt, nicht verwunschen. Eine neue Blickrichtung zeigt eine zuvor verborgene Katastrophe. Bei den meisten Plätzen würde man sich wünschen, sie würden auch versteckt bleiben.
Was also tun, damit ein romantischer Garten als Quelle eines federleichten Lebensgefühls entsteht? Wie entsprießen harmonische Arrangements? Wie findet jedes Blümchen seinen richtigen Platz und welche Elemente braucht so ein romantischer Garten überhaupt? Ja, wie geht es hinter der Biegung weiter…
Kleiner Ausflug in die Geschichte: In der Epoche der Romantik stand die Flucht vor dem neuen kalten Leben mit Maschinen und Technik im Vordergrund. Eine echte Landflucht, denn die Menschen zog es in die Natur, wo sie Ruhe, Mystisches und Geheimnisvolles suchten. So sind typische Schauplätze in Literatur und Malerei etwa Landschaften, Ruinen, alte Burgen, dunkle Wälder, Moore und Höhlen oder Friedhöfe. Eine Sehnsucht die auch vor den Herrscherhäusern nicht Halt machte.
So entstand um 1800 ferner die Löwenburg als eine der ersten pseudomittelalterlichen Burgruinen Europas, eingebettet in den Kasseler Bergpark Wilhelmshöhe – einem herausragenden und einzigartigen Zeugnis europäischer Bau- und Gartenkunst mit dem Prädikat Unesco-Weltkulturerbe. Die haben es in Sachen Gartenplanung halt so richtig krachen lassen. Also warum nicht mal dem romantisch veranlagten Landgrafen über die Gärtnerschulter schauen?
Was ist das Ziel Romantischer Gärten und dieser Art der Gartengestaltung, damals wie heute. Es soll alt und gewachsen aussehen. Ein Ort mit Geschichte, der einiges zu erzählen hätte, von vergangenen Zeiten, von Menschen die dort gelebt oder Zeit verbracht haben. Etwas verfallen, abgelebt, dabei der exakt richtige Grad an Unordnung, ohne schäbig zu wirken, sondern natürlich und entspannt. So sind die Formen und Linien auch organisch und weich, gefällig für das Auge.
Der krasse Gegensatz sind die strengen geometrischen Formen des Barock, in dessen Beeten sich kein Blümlein oder Halm in die falsche Richtung biegen darf. Hier war das Formen, die Unterwerfung der Natur das Gebot, eben der maximal mögliche Ausdruck von Herrschaftsanspruch.
Warum denke ich da nur an eckige Schottergärten vor eckigen Häusern, in denen sich gar kein Leben regen darf? Ist das ein zeitgenössisch-fragwürdiger Ausdruck von Hier bin ich König, hier darf ichs sein? Ein Hilfeschrei, sein Leben wieder unter Kontrolle bekommen zu wollen? Ich zweifle ja schon länger wegen eben jener Gestaltung der Außenanlagen, am Seelenheil unserer Nation.
Aber es besteht Hoffnung! Denn häufig sieht man auf eben jenen Anlagen obskur wirkende Deko und letzte Wiederbelebungsversuche wie abgestellte alte Fahrräder, Schubkarren, Koffer, Kübel, Figuren oder sogar Altreifen. Dazu schwärmerisch anmutende Spruchtafeln wie Der Garten ist ein Freund, den man immer besuchen kann. Vor toter Kulisse. Ich mag meine Freunde ja lebendig, aber gut. Bis auf die ollen Reifen, wären das sogar tatsächlich geeignete Elemente für romantische Gärten. Es ist also noch ein schwacher Puls zu spüren.
Zurück zu Romantikgärten und was sie ausmacht. Neben dem gewissen Shabby Chic, spielt die Komposition der Farben und Pflanzen eine wichtige Rolle. Ich bin bei meiner Farbauswahl ziemlich streng: Rosa, pink und weiß. Alles. Konsequent! Als Kontraste hier und da ein Blau oder Gelb, womit sich die Farben gegenseitig noch einmal mehr zum Leuchten bringen.
„Das einzig Rote im Garten bin ich“, sage ich immer, denn Rot- und Orangetöne sind bei meinen Pflanzen streng verboten. Sie wären viel zu knallig und würden die ätherische Ausstrahlung der zarten Romantikfarben stören. Sicher könnte man Blau und Gelb auch noch verbannen und komplett auf Pastell setzen, aber wer möchte im Frühjahr schon auf kleine fröhliche Narzissen oder im Sommer auf Lavendel und Eisenkraut als Rosenbegleiter verzichten? Das bringe ich nicht übers Herz.
Stichwort Rosenbegleiter. Ein romantischer Garten ohne Rosen geht nicht. Gar nicht. Überhaupt gar nicht! Aber warum ist die Rose als Königin der Blumen eigentlich so unumstößlich mit Liebe und Romantik verknüpft? Wer hat sich das ausgedacht? Jetzt wird es ganz verrückt. Eine strenge Etikette und Ansprüche an Moral, machten es den Menschen schwer, ihre Gefühle zu äußern. So entstand der Blumencode, bei dem bestimmte Blumen, bestimmte Empfindungen oder Botschaften übermittelten. Floriographie. Die Blumensprache. Die Rose wurde so zum Wahrzeichen von Liebe und Leidenschaft. Romantik und romantische Gärten ohne den Ausdruck von Liebe und Leidenschaft, ohne überquellende Gefühle? Richtig, geht eben nicht.
Aber auch die Tulpe steht für Zuneigung und Liebe – übrigens je dunkler die Farbe, umso stärker die Gefühle. Ebenso steht das Vergissmeinnicht für Liebe und Treue, und ist ein Versprechen an den Empfänger. Das Veilchen für Bescheidenheit und Zurückhaltung, die Lilie für Unschuld, die Calla für Faszination, die Narzisse für Lebendigkeit (aber auch Eitelkeit), die Sonnenblume für Freude und die Gerbera für Freundschaft. Wer jetzt denkt, das sei ja ganz einfach, unterschlägt die Bedeutung der Farben.
Violett symbolisiert Lust, Nähe und Innigkeit, Gelb etwa Glück aber auch Neid und Eifersucht. Blau ist seit jeher die Farbe der Treue und Hoffnung, Rot der Liebe. Rosa drückt Sehnsucht und Zärtlichkeit aus. Während eine rote Rose also Ich liebe Dich sagt, schickt die gelbe Rose einen mit einem Sorry, lass uns Freunde bleiben auf die Ersatzbank. Also ist Vorsicht geboten und es bleibt zu hoffen, dass der Florist des Vertrauens fließend Floriographie spricht, steckt und bindet.
Und dann noch ein niedlich daherkommendes Gewächs mit gewichtiger Botschaft: Die Margerite steht einerseits für Natürlichkeit, aber auch für starke Unentschlossenheit über die eigenen Gefühle – er liebt mich, er liebt mich nicht. Ein echter Klassiker in Momenten unsicherer Liebe, bis heute. Die Dramen die sich in berankten Lauben nach dem Überreichen eines kleinen Margeritenstraußes abgespielt haben, möchte man sich gar nicht ausmalen! Und dann dauerten Briefe und Wiedersehen mitunter Wochen, um für weitere Klärung zu sorgen. Nix mit Whatsapp-Dauerfeuer. Welch Qual! Gut, wenn man dann einen romantischen Garten aufsuchen konnte, der etwas Balsam auf die geschundene Seele war und ist.
Als mich eines Tages eine neue Kundin besuchte, stand die Dame mit großen Augen in der Einfahrt und ließ den Blick immer wieder hin und her schweifen. Hier mal hin getigert, da mal um die Ecke geschaut. Als ich die Tür öffnete, platzte es regelrecht aus ihr heraus: „Ich…ich…fühle mich wie Cinderella…wie in einem Märchen.“ Wir haben beide herzlich gelacht, zumal sie nicht wusste, dass das Gärtnern meine Leidenschaft ist.
Aber es trifft so schön, worum es geht: um ein Gefühl, das romantische Gärten unwillkürlich vermitteln. Durch die zarten Farben, die weichen Formen, den besonderen Charme alter Gegenstände. Durch natürliche Arrangements, die wie beiläufig entstanden wirken. Mit ihrer positiven, freundlichen und leichten Ausstrahlung, fühlt man sich selbst gleich leichter ums Herz. Ja, und an manchen Tagen sogar ein bisschen wie eine Prinzessin. Wobei ein hübsches Kleid übrigens nochmal ungemein hilft, aber das Thema Garten- und Gärtneroutfit ist nochmal ein Kapitel für sich.
Mensch und Natur beeindrucken sich gegenseitig, formen und bedingen sich. Es geht um ein Gefühl das der Gärtner mit seinem Garten ausdrückt, aber auch um ein Gefühl, welches romantische Gärten beim geneigten Besucher erzeugen. Würde man es vertonen wollen, wäre es wohl ein tiefes zufriedenes Seufzen, das mit einer Prise Sehnsucht dafür sorgt, dass man bei all der Entspannung nicht zu viel Spannung verliert. Ein verheißungsvolles Prickeln und Knistern bleibt in der Luft. Wie geht die Geschichte, wie geht es hinter der Biegung weiter?
Aber ob man sich nun genauso wie ich für die federleichte Aura von Romantikgärten begeistern kann. Ob man die buntere und robustere Variante in Form eines Bauerngartens bevorzugt – hier sind Rot und Orange unbedingt erlaubt – oder ob man sich sogar in eine strengere formalere Gartengestaltung verliebt. Wichtig ist für mich nur eines: Leben muss es. Grünen, blühen, brummen und summen. In Tote kann man sich schlecht verlieben. Anders gesagt: Friede den Gärten, Krieg dem Schotter!
Friede den Hütten! Krieg den Palästen! – Aufruf in der Spätromantik (1834) zum Beseitigen sozialer Missstände. Okay, vielleicht etwas pathetisch dies zum Beseitigen gärtnerischer Missstände zu bemühen, aber hey – echte Romantik ist eben ein Überquell an Gefühlen.
Diese Kolumne ist im Buch „Liebesmüh mal drei“ erschienen, dem dritten Band der dreiteiligen Liebesmüh-Reihe: Gesammelte Essays, Artikel und Kolumnen über die Mühen, den Alltag mit Liebe zu überstehen – und die Liebe im Alltag nicht zu verlieren.
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Für Romantische Gärten sind Rosen ein Muss
Alles Liebe und allzeit einen grünen Daumen,
Eure Svea J. Held